Berlin, 21.09.2023 – Das am vergangenen Freitag von Verdi vorgelegte Gutachten, in dem die Forderung nach einem Verbot von Vertragspartnern bei der Paketzustellung wiederholt wird, beruht weitgehend auf unzutreffenden, lückenhaften und einseitigen Annahmen zu den Arbeitsbedingungen in der Paketbranche. Es lässt die tatsächlichen Gegebenheiten außer Acht und gelangt mit seiner Forderung nach einem Berufsverbot für mittelständische Paketunternehmer zu rechtlich nicht haltbaren Ergebnissen. Zahlreiche Vorwürfe sind in ihrer Pauschalität schlicht falsch und diskreditieren eine ganze Branche ohne jegliche belastbare Grundlage. Zudem liegen dem im Auftrag der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung erstellten Gutachten ausschließlich Interviews mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Verdi und dem DGB-„Beratungsnetzwerk Faire Mobilität“ zugrunde. Die Unternehmen der Paketbranche selbst wurden hingegen nicht befragt.
Den folgenden Unterstellungen widersprechen wir daher an dieser Stelle ausdrücklich.
1. Unterstellung: In der Paketbranche herrschen prekäre Arbeitsbedingungen, die nur durch ein Verbot von Vertragspartnern bei der Zustellung beseitigt werden können.
Klarstellung: In der Kurier-, Express- und Paketbranche (KEP) arbeiten grundsätzlich verantwortungsvolle Unternehmen. Die Vertragspartner der KEP-Dienstleister sind der echte Mittelstand in Deutschland und keine Solounternehmer. Es gibt keine Rechtfertigung für Sonderregelungen in der Paketbranche. Die Ergebnisse der bundesweiten Schwerpunktprüfungen durch die Generalzolldirektion zeigen vielmehr, dass die KEP-Branche keine systematischen Auffälligkeiten zeigt. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Stefan Wenzel äußerte sich dazu im Januar dieses Jahres im Bundestag: „Die vorliegenden Erfahrungen belegen insoweit, dass die Kurier-, Express- und Paketdienstbranche zwar relevant für die Ermittlungstätigkeit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit ist. Jedoch konnten ‘systematische Rechtsverletzungen’ in der Branche nicht festgestellt werden.“
Auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Werkverträgen, die bei Vertragspartnern in der Paketzustellung beschäftigt sind, gilt u. a. das Kündigungsschutzgesetz, das Befristungsrecht und das Betriebsverfassungsgesetz. Werkverträge sind daher keineswegs ein Mittel, arbeitsrechtliche Schutzstandards zu unterlaufen.
2. Unterstellung: Die Paketdienstleister sollen dazu verpflichtet werden, die Arbeits- und Betriebsorganisation so auszugestalten, dass sie im Einklang mit den arbeits- und arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften stehen. Dies ist aktuell nicht der Fall.
Klarstellung: Die geltenden Regeln und Gesetze, darunter das Mindestlohngesetz, das Paketbotenschutzgesetz und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, werden selbstverständlich eingehalten und sind ausreichend. Darüber hinaus hat die KEP-Branche gemeinsam freiwillig weitergehende Standards beschlossen: Die Vertragspartner bei der Zustellung weisen mit dem staatlich akkreditierten Gütesiegel PQ KEP die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen nach. Die Paketdienstleister nutzen zudem eigene Auditierungssysteme, mit denen sie die Einhaltung der Vorschriften bei den Vertragspartnern kontrollieren. Schon seit Jahren wird im Rahmen von Health & Safety-Programmen daran gearbeitet, die Arbeitsbedingungen noch weiter zu verbessern. So wird die Entlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch digitale Tools und den Einsatz von Schutz- und Hilfsmitteln durchgesetzt. Motivierte und gesunde Menschen sind der Schlüssel zum Erfolg.
3. Unterstellung: Die Vertragspartner sind fast ausschließlich entweder Kleinstunternehmen oder soloselbständige Paketzusteller.
Klarstellung: Die großen Paketdienstleister haben rund 4.000 Vertragspartner, die den Transport von KEP-Sendungen übernehmen. Die meisten dieser Vertragspartner sind mittelständische Unternehmen. 44 % der Vertragspartner beschäftigen zwischen 10 und 19 Personen. In der Gesamtwirtschaft sind es lediglich 11 % und 85 % beschäftigen 1 bis 9 Personen (in der KEP-Branche liegt dieser Wert lediglich bei 42 %). Der Anteil an Kleinstunternehmen ist in der KEP-Branche somit deutlich kleiner als in der Gesamtwirtschaft (siehe KEP-Studie 2023). Die Einbindung von Soloselbständigen liegt nicht im Interesse der Paketdienste, da diese Vertragspartner brauchen, die ihnen langfristige Planungssicherheit geben. Denn nur so ist das hohe Leistungsniveau der Branche möglich.
4. Unterstellung: Die Gesundheitsbelastung durch schwere Pakete ist zu groß.
Klarstellung: Das durchschnittliche Gewicht einer Sendung liegt bei 4,8 kg. Es geht kontinuierlich zurück. Die Anzahl schwerer Pakete ist gering (2,5 % bis 3,5 % der Sendungen wiegen über 20 kg) und konzentriert sich im Bereich B2B, wo Transporthilfen zur Standardausrüstung gehören. Die Handhabung von schweren Paketen kann nicht als charakteristisch für die Paketzustellung betrachtet werden.
5. Unterstellung: Zusteller müssen bis zu 300 Sendungen pro Tag zustellen.
Klarstellung: Die durchschnittliche Sendungsanzahl in einem konventionellen Zustellfahrzeug beträgt 160.
6. Unterstellung: Die Gewinne bei den großen Paketdienstleistern sind enorm und steigen immer weiter.
Klarstellung: Hier werden Gewinne mit Umsätzen verwechselt. Die Umsätze steigen, weil die Nachfrage und damit die Sendungsmengen steigen. Der Durchschnittserlös je Sendung stieg 2022 nominal auf 6,26 Euro. Damit liegt der Wert nominal um rund 20 Cent über dem Wert von vor zehn Jahren. Inflationsbereinigt liegt der Wert für 2022 jedoch bei lediglich 5,57 Euro und damit unter dem Wert von vor zehn Jahren (siehe KEP-Studie 2023). Dies zeigt, dass der nominale Zuwachs nicht ausgereicht hat, um die Preissteigerungen der vergangenen Jahre auszugleichen.
Trotzdem investieren die Paketdienste massiv in Zukunftsthemen. Dazu zählen Investitionen in die Gewinnung von Arbeitskräften, in die Optimierung der Arbeitsbedingungen, in Digitalisierungsprozesse, in alternative Antriebstechnologien und insbesondere in eine immer nachhaltigere, emissionsärmere und effizientere Innenstadtlogistik. Wichtig ist, dass mit der angekündigten Postgesetz-Novelle eine gravierende wettbewerbliche Schieflage aufgehoben wird: Über staatlich regulierte überhöhte Briefporti erhält die Deutsche Post bislang eine zusätzliche Gewinnmarge, die sie in den Paketbereich investieren kann, ohne diese Investitionen über die Paketpreise verdienen zu müssen. Dies ist den Wettbewerbern nicht möglich.
Tiefer Eingriff in die Berufsfreiheit
Das Gutachten verkennt den rechtlichen Prüfungsmaßstab. Ein Verbot von Vertragspartnern bei der Paketzustellung greift tief in die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) der Partnerunternehmen ein, ihre Berufstätigkeit wird verboten. Eine derart gravierende objektive Beschränkung der Berufswahl lässt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht rechtfertigen.
Dass mit dem Paketbotenschutzgesetz eine Durchgriffshaftung für Sozialversicherungsbeiträge eingeführt wurde, findet im Gutachten kaum Erwähnung. Genauso wenig der Umstand, dass die Paketbranche eine – durch staatliche Akkreditierung kontrollierte – Präqualifikationsmöglichkeit für Vertragspartner eingerichtet hat. Dies belegt jedoch, dass die Paketdienstleister gerade nicht ihre rechtliche Verantwortlichkeit durch die Beauftragung von Vertragspartnern bei der Paketzustellung an diese abgeben.
Ein Verbot von Vertragspartnern bei der Paketzustellung macht für die rechtliche Situation der Beschäftigten qualitativ keinen Unterschied. Egal ob sie bei einem großen, mittleren oder kleinen Unternehmen arbeiten – entscheidend ist, dass die Unternehmen sich den Beschäftigten gegenüber rechtskonform verhalten.
Sofern gegen arbeitsrechtliche Vorgaben verstoßen werden sollte, müssen diese selbstverständlich konsequent geahndet werden. Hierfür stehen die Mitglieder des Bundesverbandes Paket und Expresslogistik dem Zoll und der Bundesnetzagentur seit Jahren vollumfänglich unterstützend zur Seite.
Warum werden Vertragspartner bei der Paketzustellung eingesetzt?
Alle Paketdienstleister, die im gesamten Bundesgebiet zustellen, schließen Werkverträge mit Vertragspartnern bei der Paketzustellung ab. Der wesentliche Grund ist, dass sie damit die Vorteile der arbeitsteiligen Wirtschaft nutzen. In der Paketbranche kann es ein Vorteil sein, kleine Fahrzeugflotten dezentral sehr effizient einzusetzen oder kleine Mitarbeiterzahlen effizienter zu führen als große Belegschaften. Kleine Unternehmen können so am globalen Paketmarkt partizipieren, ohne dafür ein bundesweites Netzwerk aufbauen zu müssen. Auch viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finden es angenehmer, in einem kleinen familiären Betrieb zu arbeiten, als in einem großen Konzern. Vertragspartner können neben der Paketzustellung weitere Aufträge erledigen, um z. B. ihre Fahrzeuge besser auszulasten. Dies können Aufträge sein, die beispielsweise eine regionale Spezialisierung erfordern und daher von Großunternehmen nicht angenommen werden würden.
Durch das Grundgesetz ist die Vertragsfreiheit garantiert. Jedem Unternehmen steht frei, mit wem es Verträge abschließt und welche Inhalte Gegenstand der Verträge sind. Die unternehmerische Kreativität tausender Vertragspartner trägt dazu bei, dass Arbeitsplätze geschaffen werden und die KEP-Branche mit ihrer Wertschöpfung einen entscheidenden Beitrag für die Gesellschaft leisten kann. Kurz gesagt: KEP stärkt und braucht den soliden deutschen Mittelstand.
Der 1982 gegründete Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) ist die politische Interessenvertretung führender Anbieter von Kurier-, Express- und Paketdienstleistungen in Deutschland. In Zusammenarbeit mit ihren Partnern – rund 3.400 kleinen und mittelständischen Logistikunternehmen – bieten die Mitgliedsunternehmen DPD, GLS, GO!, Hermes und UPS ihren Kundinnen und Kunden eine flächendeckende Zustellung von der Hallig bis zur Alm, in der Stadt und auf dem Land. Die gesamte Branche in Deutschland realisiert derzeit jährliche Umsätze in Höhe von 26 Milliarden Euro, beschäftigt rund 258.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und befördert ca. 4,15 Milliarden Sendungen pro Jahr.